Das Epos „Die Odyssee“, welches die Heimkehr des Odysseus nach zehn Jahren des Kriegs gegen Troja beschreibt, ist das zweitälteste Werk der europäischen Literatur. Es zählt aber auch zu den wichtigsten Werken der Neuzeit. Warum das so ist, erfährst Du in diesem Artikel.
Antikes Helden-Epos aus der Feder von Homer
Die Odyssee, die um 700 v. Chr. geschrieben wurde, stammt, wie die Ilias, aus der Feder des griechischen Dichters Homer. Die Erzählung schildert in 24 Strophen die gefährlichen und außergewöhnlichen Abenteuer des Herrschers von Ithaka, der nach zehn Jahren Krieg für ein weiteres Jahrzehnt über das Mittelmeer irrt.
Fortsetzung der Ilias
Die Odyssee knüpft nahtlos an die Erzählungen der Ilias an: Nach dem Fall von Troja kehrten die meisten der heldenhaften Kämpfer in ihre griechische Heimat zurück.
Odysseus erzürnte jedoch den Meergott Poseidon, weil er dessen Sohn, den riesenhaften Zyklopen Polyphem, blendete.
Fortan trieb Poseidon Odysseus’ Schiff auf den Wellen des Mittelmeeres umher. Dabei musste sich Odysseus vielen Herausforderungen stellen.
Odysseus muss viele Abenteuer bestehen
Zu seinen Abenteuern zählen der Kampf mit den Winden des Äolus, die Begegnungen mit der Zauberin Circe sowie den schrecklichen Monstern Skylla und Charybdis.
Zudem unternahm Odysseus einen Abstecher in den Hades und widerstand dem Gesang der verlockenden Sirenen.
Trotz der Warnungen des blinden Sehers Teiresias schlachteten seine Gefährten die Rinder des Sonnengottes Helios. Die Rache des Gottes ließ nicht lange auf sich warten. Alle Kameraden kamen zu Tode.
Nur Odysseus erreichte nach einer langen Irrfahrt die Insel Ogygia. Dort verliebte sich die Nymphe Calypso in ihn, die ihn sieben Jahre lang bei sich festhielt.
Auf dem Olymp sorgte schließlich die Göttin Athene für Odysseus Freilassung. Auf ihr Bestreben schickte Zeus den Götterboten Hermes zu Kalypso, der ihr befahl, Odysseus ziehen zu lassen.
Odysseus strandete auf einer Insel der Phäaken. Von dort wurde er schließlich mit dem Schiff in seine Heimat Ithaka zurückgebracht.
Die Odyssee findet ein blutiges Ende
Zu Hause bedrängten Widersacher des Odysseus seine Frau Penelope und überredeten sie dazu, ihren Mann für Tod zu erklären, damit einer von ihnen sie heiraten könne. Der heimgekehrte Odysseus schlug die Freier sodann in einem blutigen Kampf nieder.
Entstehung
Forscher schätzen, dass die Odyssee zwischen 725 und 675 v. Chr. geschrieben wurde und für den mündlichen Vortrag bestimmt war.
Das Werk besteht aus 12 109 Zeilen, die im daktylischen Hexameter (auch bekannt als “homerischer Hexameter”) abgefasst sind, d. h. jede Zeile hatte sechs Füße oder metrische Einheiten, und jeder Fuß hatte einen Daktylus (eine betonte Silbe, gefolgt von zwei unbetonten Silben).
Das ursprüngliche Werk war möglicherweise nicht in die 24 Bücher unterteilt, die der moderne Leser kennt. Diese Aufteilung wurde erst später vorgenommen.
In der Antike wurde die Odyssee höchstwahrscheinlich in mehreren Spalten auf Papyrusrollen oder Tierhäuten (wie Pergament und Velin) geschrieben.
Die Rolle Homers bei der Abfassung des Epos sowie die Frage, ob er des Lesens und Schreibens mächtig war, war Anlass für einen intensiven wissenschaftlichen Diskurs, die gemeinhin als “homerische Frage” bezeichnet wird.
Frühe Übersetzungen
Bis zum 15. Jahrhundert waren alle im Umlauf befindlichen Ausfertigungen der Odyssee handschriftlich und in Altgriechisch verfasst. Im Jahr 1488 wurde in Florenz die erste gedruckte Fassung (immer noch auf Altgriechisch) hergestellt.
Die ersten volkssprachlichen Übersetzungen der Odyssee erschienen in Europa im 16. Jahrhundert. Die Anwendung des altgriechischen Metrums auf die zeitgenössischen Volkssprachen, stellte eine besondere Herausforderung dar und zwang die Übersetzer dazu, Wörter hinzuzufügen und zu erfinden, um das Metrum zu erfüllen.
Übersetzungen ins Deutsche
Unter den deutschsprachigen Übersetzungen der Odyssee gilt die metrische Übersetzung von Johann Heinrich Voß aus dem 18. Jahrhundert als Klassiker.
Thassilo von Scheffer legte im zwanzigsten Jahrhundert eine ebenfalls viel beachtete Neuübersetzung vor.
Die bekannteste und weitverbreitetste deutsche Prosaübersetzung stammt von Gustav Schwab (1792 – 1850).
Fantastische Abenteuergeschichte
Die Odyssee ist kunstvoll konstruiert, mit Rückblenden, wechselnden Blickwinkeln und Erzählern sowie parallelen Handlungen. Homer begann seine Erzählungen stets in der Mitte des Handlungsstrangs (in medias res) und ergänzte dann die fehlenden Informationen Schritt für Schritt.
Zudem bereicherte er die Odyssee mit vielen Gleichnissen und Metaphern, was noch viele Schriftsteller nach ihm inspiriert hat. Das Werk ist somit teils Märchen, teils Abenteuergeschichte und bleibt stets spannend.
Hier gibt es eine kostenlose deutsche Volltext-Version des Werks von Homer: “Odyssee” PDF-Download
Hat die Odyssee einen wahren Kern?
Doch die Odyssee entstammt nicht vollends der Fantasie Homers, auch wenn das lange Zeit angenommen wurde.
Die Situation änderte sich, als deutsche und britische Archäologen Ausgrabungen in Troja und Mykene durchführten, die einige Gedichte Homers bestätigten. Dies führte zu neuen groß angelegten Untersuchungen.
Heute weiß man, dass das vor allem Alltäglichkeiten, die in der Odyssee beschrieben werden, einen realen historischen Hintergrund haben, z.B. dass damals mit Wasser verdünnter Wein getrunken oder im Rahmen religiösen Praktiken Drogen konsumiert wurden. Meeresungeheuer, Zyklopen usw. sind allerdings tatsächlich nur Erfindungen von Homer, werden aber von einigen Wissenschaftlern auch als Gleichnisse für historische Entwicklungen im alten Griechenland gesehen.
Auch heute hat die Odyssee noch eine große Bedeutung
Die Odyssee wurde zur Blaupause für die Literatur vieler verschiedener Epochen. Auch in unserer heutigen Zeit wird der Stoff immer wieder aufgegriffen.
Bereits der griechische Philosoph Aristoteles und die späteren Dichter der Klassik betrachteten die Odyssee als ein gattungsbestimmendes Werk.
Eine erste Adaption der Sage des Odysseus in der Antike war die “Aeneis” von Virgil. In dieser Erzählung muss die Hauptfigur Aeneas auch eine lange Reise hinter sich bringen, bevor er zum Stammvater der Römer avanciert.
Eine weltberühmte Bearbeitung der Odyssee in der modernen Literatur findet man beispielsweise im Roman „Ulysses“ (1922) des irischen Autors James Joyce.
Der antike Stoff gilt zudem als Vorbild für mehrere bekannte Heldenfiguren der Weltliteratur, darunter Goethes „Faust“ und Jules Vernes „Kapitän Nemo“.
Häufige Fragen und Antworten zum Thema (FAQ)
Wie gut die Odyssee zu lesen bzw. zu verstehen ist, hängt vom Leser ab. Da es sich um einen antiken Text handelt, ist die Sprache für Erstleser oft der schwierigste Aspekt.
Der Originaltext ist in Altgriechisch verfasst, sodass eine übersetzte Fassung in einer Sprache, die dem Leser vertraut ist, die Lektüre deutlich erleichtert oder erst möglich macht.
Auch wenn einige Übersetzungen mehrere hundert Jahre alt sind und der Versstil der Odyssee nicht immer leicht zu verstehen ist, gibt es auch moderne Übersetzungen, die eingängiger formuliert wurden.
Welche Übersetzung der Odyssee die “Beste” ist, hängt vom persönlichen Geschmack ab. Folgende Optionen sind für deutsche Leser, welche die Odyssee in ihrer Muttersprache erleben möchten, eine Überlegung wert:
Johann Heinrich Voß’ Übersetzung der “Odyssee”, die 1781 erschien, ist wegen ihrer einprägsamen und bildhaften Sprache sehr beliebt. Auf Basis von Voß’ Übersetzung wurden Generationen von deutschen Lesern mit Homer vertraut gemacht.
Die modernen Übersetzungen von Wolfgang Schadewaldt (1958), Anton Weiher (1955) und Roland Hampe (1979) kommen dem modernen Deutsch nahe und sind für zeitgenössische Leser leichter zugänglich. Allerdings verfügen Sie nicht über die reich ausgeschmückte Sprache, die Voß’ Übersetzung so beliebt macht.
Die Namen der Gefährten des Odysseus in “Die Odyssee” lauten Eurylochus, Perimedes, Elpenor, Antiphos, Amphimedon, Agelaus, Misenus und Alcimus. Diese Gefährten begleiteten Odysseus auf seiner Reise und stellten sich im Laufe des Epos verschiedenen Herausforderungen.
Die Odyssee hatte mehrere Stationen. Die Anzahl der Stationen variiert in den verschiedenen Quellen. Die gängigen Zahlen umfassen 9, 10 und 12 Stationen. Die genaue Anzahl der Stationen ist im Originaltext der “Odyssee” nicht ausdrücklich festgelegt.
Odysseus befehligte zwölf Schiffe. In der Odyssee, geht dies aus einer Textstelle hervor, in der Odysseus dem Königspaar von Phäakien seine Geschichte erzählt. Dabei erwähnt er, dass er zwölf Schiffe besaß, als er Troja verließ.
Die Anzahl der Schiffe wird auch erwähnt, als Odysseus und seine Männer im Land der Zyklopen ankommen und dort wilde Ziegen jagen. Auf elf Schiffe werden je neun erbeutete Ziegen gebracht. Auf sein eigens Schiff nimmt Odysseus hingegen zehn Ziegen mit, womit die Gesamtzahl der Schiffe auf seiner Reise zwölf beträgt.
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Literatur:
- Homer, Homeros/Gerald-Hermann Monnheim/Johann Heinrich Voß: Homer – Odyssee: Klassiker der Weltliteratur, 1. ed., epubli, 17.12.2019
- Kölsch, Hanskarl: Homer – Ilias – Odyssee – Die Geburtsstunde der Weltliteratur, 3. ed., Books on Demand, 14.11.2012
- Seret, Hadrien/Nasim Hamou/Leonie Kremer: Odyssee von Homer (Lektürehilfe): Detaillierte Zusammenfassung, Personenanalyse und Interpretation, derQuerleser.de, 14.02.2019
- https://www.worldhistory.org/trans/de/1-14584/odyssee/
- https://www.srf.ch/sendungen/reisegeschichten/die-irrfahrt-wo-war-odysseus-eigentlich
- https://praxistipps.focus.de/die-irrfahrten-des-odysseus-zusammenfassung-der-griechischen-sage_142888
Beitragsbild: Die Odyssee von Homer – pexels.com / Tom Swinnen
Vielseitig interessierter und leidenschaftlicher Autor zu Themen, wie Geschichte, Philosophie, Technik, Wirtschaft, Literatur uvm.