Von 1918 bis 1919 wütete eine dramatische Grippewelle in nahezu allen Ländern der Welt. Die Pandemie ging als sogenannte „Spanische Grippe“ in die Geschichte ein. Was viele nicht wissen: Der Grippevirus stammte nicht aus Spanien.
Mehr Todesopfer als im Ersten Weltkrieg
Die Spanische Grippe kostete etwa 20 bis 40 Millionen Menschen das Leben. Sie forderte somit mehr Todesopfer als der Erste Weltkrieg. Die Krankheitswelle gilt bis heute als das verheerendste Infektionsgeschehen in der Geschichte. Auf dem Höhepunkt der Spanischen Grippe war ein Fünftel der Weltbevölkerung mit dem Virus infiziert.
Die Krankheit brach erstmals im Herbst 1918 aus. Der Erste Weltkrieg näherte sich gerade seinem Ende. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wo die Spanische Grippe ihren Ursprung nahm. Fest steht, dass das Virus – anders als der Name vermuten lässt – nicht aus Spanien stammt.
Die Spanische Grippe stammt nicht aus Spanien
Der Name „Spanische Grippe“ ist darauf zurückzuführen, dass in Spanien erstmals über die Erkrankungswelle berichtet wurde.
Die anderen europäischen Länder sowie die USA waren Kriegsparteien im Ersten Weltkrieg. Um die Moral der Truppen und der Zivilbevölkerung nicht zu schwächen, wurde in diesen Ländern die Erkrankungen heruntergespielt und keine Infektions- und Todeszahlen veröffentlicht. Allein die spanische Presse berichtete ausführlich über die Pandemie.
Wo nahm die Spanische Grippe ihren Anfang?
Man geht davon aus, dass die ersten Grippefälle bei Schulkindern und Soldaten in Kansas, USA, im März 1918 auftraten. Im Juni wurden Ausbrüche aus China, Australien, Neuseeland und Indien gemeldet. Das Virus gelangte dann mit Truppentransporten nach Europa.
Die dortige schnelle Weiterverbreitung des Influenza-Virusstamms könnte auf die prekären hygienischen Bedingungen zurückzuführen sein, denen die Soldaten in den Schützengräben auf den Schlachtfeldern Europas ausgesetzt waren. Viele Soldaten litten aufgrund dessen unter einer Immunschwäche.
Verbreitung der Erkrankung in den Schützengräben
Als die Soldaten in ihre Heimatländer zurückkehrten, begann sich die Krankheit noch stärker zu verbreiten. Bald fielen auch gesunde Menschen der Infektion zum Opfer. Der Grund, warum so viele gesunde Leute plötzlich krank wurden und sogar starben, lag lange im Dunkeln.
Neuere Forschungen zeigen, dass durch eine Mutation ein Oberflächenprotein auf dem Virus entstand. Dieses war auch für ein gesundes Immunsystem schwer zu erkennen.
Im Mai 1918 schleppten Verwundete, Kriegsgefangene sowie Fronturlauber die Spanische Grippe nach Deutschland ein. Die Frühjahrswelle lähmte das öffentliche Leben und kostete erste Menschenleben, zog aber angesichts der Kriegssituation keine besondere Aufmerksam auf sich. Ab Mitte Juni breitete sich das Infektionsgeschehen von West nach Ost weiter aus.
Die Spanische Grippe in Deutschland
Zwischen Juni und Juli 1918 berichteten deutsche Zeitungen punktuell über Influenzaausbrüche im zivilen Bereich. Um Unruhen zu vermeiden, behaupteten die Behörden, dass im Schnitt nur eine von 500 Erkrankungen tödlich verliefe. Oft wurde von einem „Blitzkatarrh” oder dem „Flandern-Fieber” gesprochen.
Der Reichstagsabgeordnete Bernhard Adelung (SPD) wandte sich aufgrund der undurchsichtigen Lage mit einer Anfrage an die hessische Landesregierung. Diese teilte ihm mit, dass es sich um eine normale Grippewelle handelt, die ihren Höhepunkt bereits überschritten hätte.
Die Zeitung “Vorwärts” schrieb: „Wenn man auch eine Influenza in gegenwärtiger Zeit nicht gerade leicht zu nehmen habe, so liegt doch kein Grund zu irgendwelcher Beunruhigung vor.“
Die Spanische Grippe in den USA
In den Vereinigten Staaten starben etwa 675.000 Menschen an der Infektion. Leider verkannten oder verheimlichten die Behörden auch hier die Gefährlichkeit der Krankheit. So wurden nur wenige Maßnahmen ergriffen, um das Virus einzudämmen.
Das daraus resultierende Infektionsgeschehen in den Vereinigten Staaten verkürzte in dieser Zeit die durchschnittliche eines Amerikaners um 10 Jahre. In der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen lag die Sterblichkeitsrate durch Lungenentzündung und Grippe im Jahr 1918 20-mal höher als normal.
Die hohe Zahl der Todesfälle in der jungen Generation wirkte sich noch Jahrzehnte spürbar auf die Wirtschaft aus. Auch Südamerika, Asien und der Südpazifik wurden von der Infektion heimgesucht.
Beeinträchtigung des Alltagslebens
Die Spanische Grippe beeinträchtigte das tägliche Leben in erheblichem Maße. Menschenansammlungen wie Beerdigungen, Paraden oder auch der Verkauf in Geschäften wurden entweder verboten oder waren auf eine sehr kurze Dauer beschränkt. Die Gesundheitssysteme drohten in einigen Ländern zeitweilig zu kollabieren.
Hohe Sterblichkeitsrate
Der Erreger brachte eine besonders hohe Sterblichkeitsrate mit sich. Bei früheren Grippeepidemien hatte die Todesrate weit unter 1 % gelegen. Bei der Pandemie von 1918 war sie mit 2,5 % wesentlich höher.
Außerdem schritt die Krankheit sehr schnell voran, sobald erste Symptome auftraten. In vielen Fällen konnte eine vormals gesunde Person nach einer Infektion innerhalb von 24 Stunden schwer krank oder tot sein.
Das Vogelgrippevirus als Ursprung
Zu Beginn der Pandemie war der Krankheitserreger noch nicht bekannt. Man mutmaßte über eine biologische Kriegswaffe der deutschen Armee. Erst später konnte man den Erreger isolieren und untersuchen.
In den 1970er Jahren deutete eine Analyse des Virusmaterials darauf hin, dass aus der Spanischen Grippe die Influenzaviren vom Typ H1N1 hervorgingen, wie z.B. das Schweinegrippevirus. Das Genom der Spanischen Grippe unterschied sich deutlich von den bis dahin bekannten Influenzaviren.
Das Ende der Pandemie
Anfang 1920 verschwand die Spanische Grippe so schnell, wie sie aufgetreten war. Mit dem heutigen epidemiologischen Wissen ist klar, dass die Zahl der empfänglichen Wirte für das Virus schlichtweg erschöpft war (= Herdenimmunität). Erst ab 1925 kamen es erste Impfstoffe gegen die Spanische Grippe auf den Markt.
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Literatur:
- Charles River Editors: Die 1918 Spanische Grippe Pandemie: Die Geschichte und Vermächtnis der tödlichsten Influenzaausbruch der Welt, Independently published, 08.10.2020.
- Salfellner, Harald: Die Spanische Grippe: Eine Geschichte der Pandemie von 1918. Im Vergleich mit COVID-19., 5. Aufl., Vitalis, 30.12.2020.
- Spinney, Laura/Hübner: 1918 – Die Welt im Fieber: Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte, München, Deutschland: Carl Hanser Verlag, 2018.
- Witte, Wilfried: Tollkirschen und Quarantäne: die Geschichte der spanischen Grippe ; mit einem neuen Vorwort, Wagenbach, 2010.
Beitragsbild: Polizisten in Seattle tragen Masken – File:165-WW-269B-25-police-l.jpg, Public domain, via Wikimedia Commons
Vielseitig interessierter und leidenschaftlicher Autor zu Themen, wie Geschichte, Philosophie, Technik, Wirtschaft, Literatur uvm.