Es kommt selten vor, dass eine unscheinbare Region in Asien immer wieder das Interesse der Weltöffentlichkeit auf sich zieht. Aber diese Region liegt zufällig in China und ist die Heimat der Uiguren. Fast jeder wird bereits von den Repressionen der chinesischen Regierung gegenüber den Uiguren gehört haben. Doch wer sind die Uiguren und welches Leid müssen sie in China ertragen? Nachfolgend findet ihr hierzu einen Überblick.
Chinas Verwaltungsregionen
Die Volksrepublik China ist in 34 Verwaltungsregionen unterteilt. Davon sind 23 als Provinzen klassifiziert (einschließlich des umstrittenen Taiwan), fünf als autonome Regionen, vier als Kommunen und zwei als Sonderverwaltungsgebiete (Hongkong und Macao).
Im Gegensatz zu dem ansonsten ethnisch homogenen Land (bei über 90 Prozent der Bevölkerung handelt es sich um Han-Chinesen) sind in den fünf autonomen Regionen Guangxi, Innere Mongolei, Ningxia, Tibet und Xinjiang ethnische Minderheiten überrepräsentiert.
Die autonome Region Xinjiang
Xinjiang – offiziell die „Uigurische Autonome Region Xinjiang“ – liegt im Nordwesten Chinas, weit entfernt vom viel dichter besiedelten östlichen Teil des Landes. Sie ist ungefähr so groß wie Alaska und grenzt an acht Nachbarländer, nämlich die Mongolei, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Afghanistan, Pakistan und Indien.
Xinjiang blickt auf eine komplizierte Geschichte zurück. Die Region wurde von den Mongolen, den Tibetern, verschiedenen Turkvölkern und den Chinesen geprägt. Gleichzeitig breitete sich vom Osten her der Islam aus.
Als die chinesische Monarchie Anfang des 20. Jahrhunderts stürzte und ein Bürgerkrieg ausbrach, bildeten sich in dem Gebiet nacheinander zwei kurzlebige Republiken, die beide den Namen Ostturkestan trugen. Letztere war zeitweise ein sowjetischer Satellitenstaat.
Seit dem Aufstieg der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) im Jahr 1949 ist Xinjiang ein Teil Chinas, wenn auch mit dem nebulösen Zusatz “autonom”.
Die KPCh misst der Region einen hohen Stellenwert zu, vor allem wegen ihres Reichtums an Kohle, Öl und Erdgas. Durch die Grenzlage bildet Xinjiang zudem einen Puffer zwischen den Nachbarländern und den chinesischen Bevölkerungszentren im Osten. Darüber hinaus spielt die Infrastruktur in der Gegend eine bedeutende Rolle für Chinas “Neue Seidenstraße”.
Angesichts der geografischen Lage und der einzigartigen Geschichte Xinjiangs überrascht es nicht, dass viele ethnische Gruppen in der Region engere kulturelle Bindungen zu Zentralasien haben als zu den Han-Chinesen. Zu diesen Gruppierungen zählen auch die Uiguren.
Wer sind die Uiguren?
Die Uiguren bilden seit jeher die größte ethnische Gruppe in Xinjiang und haben auch in Nachbarländern wie Kasachstan und Kirgisistan eine große Präsenz. Sie sprechen eine Turksprache (die gewöhnlich in einer abgewandelten arabischen Schrift geschrieben wird) und praktizieren größtenteils den Islam.
Da sie in einem Land leben, in dem die Han-Chinesen die Mehrheit repräsentieren, hatten die Uiguren und andere Minderheiten wie die Kasachen und Kirgisen – zumindest von außen betrachtet – ein von jeher angespanntes Verhältnis zur chinesischen Regierung.
In dem Bemühen, die Region zu stabilisieren, initiierte die KPCh ein von Han-Chinesen geleitetes Wirtschaftsentwicklungsprogramm. Dieses hat zwar die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert, die Minderheiten, die oft von besser bezahlter Arbeit ausgeschlossen sind, konnten hiervon jedoch kaum profitieren. Das Ergebnis waren zunehmende Spannungen und eine Reihe von Aufständen, von denen der bekannteste im Jahr 2009 stattfand. Bei diesem kamen etwa 200 Han-Chinesen ums Leben.
Menschenrechtsverletzungen durch China
In den letzten zehn Jahren schlug die chinesische Regierung eine immer härtere Gangart gegen tatsächlichen und vermeintlichen Extremismus, Terrorismus und Separatismus ein.
Das Ergebnis ist der Aufbau von Umerziehungslagern, in denen Angehörige ethnischer Minderheiten willkürlich inhaftiert werden, um sie politisch „umzuerziehen“. In ähnlicher Weise erfolgt der Unterricht in den Schulen, wo den Kindern eine KPCh-konforme Weltanschauung gelehrt wird. Zudem ist es den Uiguren verboten, ihren islamischen Glauben auszuüben.
In Xinjiang sind eine deutlich erhöhte Polizeipräsenz, die grundlose Beschlagnahmung von Pässen, das Verbot muslimischer Namen und eine verstärkte digitale Überwachung zu beobachten. Zeitweise wurden Uiguren in andere Teile des Landes verschickt, was Außenstehende als Zwangsarbeitsprogramm ansehen.
Bei vielen dokumentierten Fällen von Menschenrechtsverletzungen handelte es sich um Zwangsabtreibungen und Sterilisationen. All dies zusammengenommen wird außerhalb von China als verdeckte Form des Völkermords angesehen.
China streitet derweil jegliches Fehlverhalten ab. Die Zentralregierung in Peking verharmlost oder verleugnet viele der Aktionen gegen die Uiguren oder rechtfertigt sie als notwendige Maßnahmen für die nationale Sicherheit. So werden die Internierungslager beispielsweise als Berufsausbildungsstätten ausgegeben.
Im Fall der Uiguren versucht Chinas autoritäres Regime maximale Kontrolle über eine ethnische Minderheit auszuüben, zu welcher historisch gewachsene Unterschiede in Kultur, Sprache und Religion bestehen. Wie die Geschichte zeigt, hat dies leider zu keinem guten Miteinander geführt.
Liebe Leser*innen, nun seid Ihr gefragt! Sind Euch weitere Fakten zum Leben der Uiguren in China bekannt? Wir freuen uns, wenn Ihr Eure Gedanken unten in die Kommentare schreibt. Vielleicht ergibt sich eine spannende Diskussion.
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Literatur:
- Bölinger, Mathias: Der Hightech-Gulag: Chinas Verbrechen gegen die Uiguren (Beck Paperback), 1. Aufl., C.H.Beck, 16.02.2023.
- Haitiwaji, Gulbahar/Rozenn Morgat/Gesine Schwan/Uta Rüenauver/Claudia Steinitz: Wie ich das chinesische Lager überlebt habe: Der erste Bericht einer Uigurin, 2., Aufbau, 13.01.2022.
- Mattheis, Philipp: Ein Volk verschwindet: Wie wir China beim Völkermord an den Uiguren zuschauen, 1., Ch. Links Verlag, 17.01.2022.
- Widiarto, Ingrid: Uigurische Geschichten: Wahre Begebenheiten, 1. Aufl., Verlag Akademie der Abenteuer, 26.05.2021.
Beitragsbild: Uiguren in China – Colegota, CC BY-SA 2.5 ES, via Wikimedia Commons
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