Diе Nürnbеrgеr Prozеssе, wеlchе nach dеm Zwеitеn Wеltkriеg stattfandеn, warеn еin Wеndеpunkt in dеr Gеschichtе dеs intеrnationalеn Rеchts. Diе Prozеssе warеn еinе Rеaktion auf diе bеispiеllosеn Gräuеltatеn während dеs Drittеn Rеichs, daruntеr dеr systеmatischе Völkеrmord an sеchs Millionеn Judеn und Millionеn andеrеr Mеnschеn währеnd dеs Holocausts.
Rechtliche Grundlage für den Umgang mit künftigen Kriegen
Während sich die Welt mit den schrecklichеn Folgen des Krieges konfrontiert sah, wurde mit den Nürnberger Prozessen versucht, diе Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Den Angeklagten wurde ein fairer, rechtsstaatlicher Prozess gemacht. Die Prozesse waren ein entscheidender Schritt, einen Rahmen für die internationale Justiz zu schaffen, dеr sicherstellen sollte, dass solch ungeheuerliche Menschenrechtsverletzungen nie mehr ungestraft bleiben würden.
Erdrückende Beweislage
Die Prozesse waren keine leichte Aufgabe für das Team der Anklage. Obwohl die Verbrechen der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs vor den Augen der ganzen Welt begangen wurden, sie gut dokumentiert waren und es viele Zeugen gab, war die Rechtsgrundlage für die Prozesse gerade erst durch die Londoner Charta geschaffen worden und noch nicht verifiziert. So bestand keine Sicherheit für eine Verurteilung. Die Prozesse waren daher besonders wichtig, um die während des Krieges begangenen Verbrechen juristisch aufzuarbeiten.
Aufbau und Ablauf der Nürnberger Prozesse
Diе Nürnberger Prozesse untergliedertеn sich in die Prozesse des Internationalеn Militärgerichtshofs und in 12 sogеnanntе Nachfolgeprozesse.
Internationaler Militärgerichtshof
Der Internationale Militärgerichtshof, in dessen Rahmen man die Kriegsverbrechen und die Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit aufarbeitete, bildete den Kern der Nürnberger Prozesse.
Richter und Hauptankläger
Den Gerichtshof leitete eine internationale Gruppe von Juristen, die von den alliierten Mächten USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion gestellt wurden.
Die Richterbank war mit je einem Mitglied und einem Stellvertreter pro Siegermacht besetzt:
- USA: Francis Beverley Biddle und John Johnston Parker
- UdSSR : Iona Nikittschenko und Alexander Woltschkow
- Großbritannien: Sir Geoffrey Lawrence und Norman Birkett
- Frankreich: Henri Donnedieu de Vabres und Robert Falco
Hinzu kam je ein Haupt- bzw. Chefankläger pro Siegermacht. Die Chefankläger übernahmen die Aufgaben, die üblicherweise einer Staatsanwaltschaft zufallen:
- USA: Robert H. Jackson
- UdSSR: Roman Rudenko
- Großbritannien: Sir Hartley Shawcross
- Frankreich: François de Menthon, nach dessen Rücktritt Auguste Champetier de Ribes
Die Anklageschrift gegen 24 Hauptangeklagte und sieben Organisationen wurde am 18. Oktober 1945 von den vier Chefanklägern eingereicht.
Die Angeklagten
Die Angeklagten des Nürnberger Prozesses wählte man aufgrund ihrer hohen Positionen im NS-Regime aus. Es handelte sich um Vertreter der Reichsregierung, des Führungskorps der NSDAP, der SS und des SD, der SA, der Gestapo sowie des Generalstabs und des Oberkommandos der Wehrmacht.
Insgesamt wurden 24 Personen angeklagt, von denen 21 verhaftet und vor Gericht gestellt werden könnten.
Vor Gericht standen:
- Hermann Göring – Reichsmarschall und Oberbefehlshaber der Luftwaffe
- Rudolf Hess – Stellvertreter von Adolf Hitler
- Joachim von Ribbentrop – Außenminister
- Robert Ley – Leiter der Deutschen Arbeitsfront
- Wilhelm Keitel – Chef des Oberkommandos der Wehrmacht
- Ernst Kaltenbrunner – Chef des Reichssicherheitshauptamtes
- Alfred Rosenberg – Reichsminister für die besetzten Ostgebiete
- Hans Frank – Generalgouverneur von Polen
- Wilhelm Frick – Reichsminister des Innern
- Julius Streicher – Gauleiter von Franken
- Walter Funk – Wirtschaftsminister
- Hjalmar Schacht – Reichswirtschaftsminister
- Gustav Krupp von Bohlen und Halbach – Industrieller
- Karl Dönitz – Großadmiral und Oberbefehlshaber der Kriegsmarine
- Erich Raeder – Großadmiral und Oberbefehlshaber der Kriegsmarine
- Baldur von Schirach – Reichsjugendführer
- Fritz Sauckel – Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz
- Alfred Jodl – Chef des Wehrmachtführungsamtes
- Franz von Papen – Vizekanzler
- Arthur Seyss-Inquart – Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete
- Albert Speer – Rüstungsminister
Urteile
Alle Angeklagten hatten vor den Urteilssprüchen ihre Unschuld beteuert. Folgende Urteile wurden zwischen dem 30. September und dem 1. Oktober 1946 in den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher des Dritten Reiches gefällt:
- 12 Angeklagte wurden zum Tod durch den Strang verurteilt, darunter Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop und Alfred Rosenberg.
- 3 Angeklagte erhielten lebenslange Haftstrafen, nämlich Rudolf Hess, Erich Raeder und Walther Funk.
- 4 Angeklagte veruteilten die Richter zu mehrjährigen Haftstrafen, wobei die längste Haftstrafe 20 Jahre für Baldur von Schirach und Albert Speer betrug. Konstantin von Neurath wurde zu 15 Jahren, Karl Dönitz zu 10 Jahren Haft verurteilt.
- 3 Angeklagte wurden freigesprochen, nämlich Hans Fritzsche, Hjalmar Schacht und Franz von Papen.
- Ein Angeklagter, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, wurde für verhandlungsunfähig erklärt.
Die Todesurteile wurden in der Sporthalle des Nürnberger Gefängnisses, das direkt an den Justizpalast angrenzte, vollstreckt. Hermann Göring entzog sich der Hinrichtung durch Selbstmord mit einer Zyankalikapsel.
Folgeprozesse
Auf die Prozesse vor dem Internationalen Militärgerichtshof folgen 12 weitere Verfahren, die sogenannten Nachfolgeprozesse. Diese wurden allein von amerikanischen Richtern geleitet.
Die Anklagen richteten sich gegen deutsche Ärzte, Juristen, Unternehmer, SS- und Polizeiführer, Militärangehörige, Beamte und Diplomaten, die im Dritten Reich an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren.
Insgesamt wurden 185 hochrangige Personen zur Verantwortung gezogen. Von diesen wurden 24 zum Tode verurteilt, 20 zu lebenslanger Haft und 98 zu teilweise langjährigen Freiheitsstrafen. 35 Angeklagte wurden freigesprochen.
Die amerikanischen Richter waren Francis Biddle, John J. Parker und Edward Francis Carter. An den Prozessen nahm auch der stellvertretende Richter am Obersten Gerichtshof der USA Robert H. Jackson teil. Dieser war federführend an der Ausarbeitung der Londoner Charta beteiligt.
Verteidigung
Alle Angeklagten der Nürnberger Prozesse wurden durch Anwälte vertreten, wobei die Beschuldigten die Möglichkeit hatten, ihren Rechtsbeistand selbst zu wählen. Die Prozesse sollten ein faires und transparentes Verfahren gewährleisten. Deshalb stellt man sicher, dass die Angeklagten Zugang zu stenografischen und übersetzerischen Diensten hatten.
Im Rahmen der Verfahren wurden 1.300 Zeugen vernommen, mehr als 30.000 Dokumente als Beweismittel vorgelegt und 132.855 Seiten an Protokollen erstellt, wobei die Urteile insgesamt 3.828 Seiten umfassten.
Die Nürnberger Prozesse waren keine Siegerjustiz
Bei den Nürnberger Prozesse handelte es sich um keine Siegerjustiz, da die Verfahren auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage zur Strafverfolgung von Kriegsverbrechen basierten, die von den Alliierten geschaffen wurde.
Die verschiedenen Strafmaße machten deutlich, dass die Urteile auf verfügbaren Dokumenten und Aussagen beruhten und nicht auf Vergeltungsmaßnahmen der Siegermächte.
Umfassende Berichterstattung
Nicht zuletzt ist auch die Presse zu erwähnen. Die Alliierten erkannten ihre Bedeutung von Anfang an. Um eine möglichst umfassende Berichterstattung zu gewährleisten, wurden Büros, Unterkünfte und zusätzliche Sitzplätze für Medienmitarbeiter eingerichtet. Zu den Unterkünften zählte auch das Schloss Stein bei Nürnberg.
Journalisten aus mehr als 20 Ländern reisten in die Region und wurden von Zeitungen, Radio und Film begleitet. Auf diese Weise konnten Menschen in aller Welt mehr über den Prozess und die beteiligten Personen erfahren.
Unter den Pressevertretern befanden sich berühmte Persönlichkeiten, wie Ernest Hemingway, Willy Brandt und John Steinbeck.
Simultanübersetzung durch rund 20 Dolmetscherteams
Und es gibt noch etwas, das erwähnenswert ist. Aufgrund des internationalen Charakters des Prozesses wurde zum ersten Mal Dolmetscherteams eingesetzt, die simultan in alle verhandelten Sprachen übersetzten. Dies war eine sehr schwierige Aufgabe, zumal viele der Übersetzer*innen selbst Kriegsopfer waren.
Dennoch keine reine Erfolgsgeschichte
Trotz des überwältigenden Medienechos und der bahnbrechenden Rolle, die der Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag und anderswo spielte, wäre es ein Fehler, ihn als makellose Erfolgsgeschichte zu bezeichnen.
Es stimmt, dass die meisten Staaten heute den Menschenrechten und dem Völkerrecht verpflichtet sind. Leider wird die Verwirklichung dieser Rechte jedoch häufig durch die Außenpolitik und die Interessen einzelner Staaten behindert. Umso wichtiger ist es für unsere Zukunft, dass wir weiter über die Nürnberger Prozesse und ihre Bedeutung sprechen.
Häufige Fragen und Antworten zum Thema (FAQ)
Nürnberg wurde aus mehreren Gründen als Ort für die Prozesse gewählt. Der Justizpalast der Stadt war weitgehend unbeschädigt, und in unmittelbarer Nähe befand sich ein großes Gefängnis, die Justizvollzugsanstalt Nürnberg, was die Wahl des Ortes für die Durchführung der Prozesse sehr praktisch machte.
Darüber hinaus wohnte Nürnberg als Stadt der Reichsparteitage und als Ort, an dem die Nürnberger Gesetze verkündet wurden, eine symbolische Bedeutung inne, auch wenn dies nicht der Hauptgrund für die Wahl der Stadt war. Die historische Verbundenheit der Stadt mit dem NS-Regime mag ebenfalls ein Grund gewesen sein, dass die Prozesse in Nürnberg stattfanden.
Die Nürnberger Prozesse fanden vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 statt. Sie dauerten somit knapp 1 Jahr.
Basierend auf verschiedenen Quellen lassen sich 264 Anwälte als “offiziell” zugelassene Haupt- und Assistenzverteidiger identifizieren, die im Rahmen der Nürnberger Prozesse tätig waren. Darüber hinaus gab es seitens der Verteidigung mehr als ein Dutzend Sachverständige, wie die Strafrechtsprofessoren Erich Schwinge und Reinhard Maurach.
Die Nürnberger Prozesse spielten eine wichtige Rolle bei der Entnazifizierung und dem Wiederaufbau des Nachkriegsdeutschlands. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es notwendig, die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und die NS-Strukturen zu beseitigen.
Die Nürnberger Prozesse trugen dazu bei, die Schuld der Hauptkriegsverbrecher und der nationalsozialistischen Organisationen festzustellen und sie für ihre Taten zu bestrafen. Dieser juristische Prozess war ein wichtiger Teil der Entnazifizierung, die darauf abzielte, belastete Personen aus dem gesellschaftlichen Leben zu entfernen und die demokratische Neuordnung Deutschlands zu fördern.
Die Prozesse trugen auch dazu bei, die Verbrechen des NS-Regimes aufzuklären und die Aufarbeitung der Vergangenheit zu fördern. Darüber hinaus hatten die Nürnberger Prozesse eine internationale Dimension, da sie zur Entwicklung des Völkerrechts und zur Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Verfolgung von Kriegsverbrechen beitrugen. Insgesamt leisteten die Nürnberger Prozesse einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung, zur Entnazifizierung und zum Wiederaufbau des Nachkriegsdeutschlands.
Der Nürnberger Kodex ist ein ethischer Leitfaden für die Vorbereitung und Durchführung von medizinischen, psychologischen und anderen Experimenten am Menschen. Er wurde nach den Nürnberger Prozessen aufgestellt.
Der Kodex setzt sich aus zehn Grundsätzen zusammen. Diese legen die ethischen Erwägungen dar, die bei der Durchführung von Experimenten an menschlichen Versuchspersonen beachtet werden müssen. Die Grundsätze des Nürnberger Kodex haben die medizinische Forschungsethik nachhaltig beeinflusst und sind auch heute noch aktuell.
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Literatur:
- Heydecker, Joe J./Johannes Leeb: Der Nürnberger Prozeß, 2015
- Kastner, Klaus: Die Völker klagen an: Der Nürnberger Prozess 1945 – 1946, 2015
- Weinke, Annette: Die Nürnberger Prozesse, 2019
- https://www.lpb-bw.de/nuernberger-prozesse
- https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/318965/vor-75-jahren-nuernberger-prozesse/
- https://www.planet-wissen.de/geschichte/deutsche_geschichte/nachkriegszeit/nuernberger-prozess-100.html
Beitragsbild: Die Anklagebank bei den Nürnberger Prozessen – National Archives at College Park – Still Pictures, Public domain, via Wikimedia Commons
Vielseitig interessierter und leidenschaftlicher Autor zu Themen, wie Geschichte, Philosophie, Technik, Wirtschaft, Literatur uvm.