Am 18. Februar 1943, auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs, betraten zwei deutsche Studenten das Hauptgebäude der Universität München in der Ludwigstraße. Sie gingen bis zum oberen Ende einer Treppe und warfen einen Stapel Flugblätter über das Geländer in das Atrium. In den Flugblättern forderten sie ihre Kommilitonen auf, sich gegen Adolf Hitler und die Kriegsmaschinerie der Nazis zu erheben.
Die Flugblattaktion in der Universität München
“Der Tag der Abrechnung ist gekommen”, hieß es, “die Abrechnung unserer deutschen Jugend mit der verabscheuungswürdigsten Tyrannei, die unser Volk je erduldet hat … Studentinnen! Studenten! Auf uns sieht das deutsche Volk!”
Die beiden Studenten, die die Flugblätter an der Universität München deponierten, wurden vom Hausmeister festgehalten und der Gestapo übergeben. Es handelte sich um die Geschwister Hans und Sophie Scholl. Sie waren Mitglieder der Gruppierung „Weiße Rose“, die sich immer wieder mit Flugblattaktionen gegen das Nazi-Regime gestellt hatten.
Innerhalb weniger Tage wurden Hans und Sophie sowie ihr Freund Christoph Probst wegen Hochverrats verurteilt und hingerichtet. Viele ihrer Mitverschwörer aus der Widerstandsbewegung der Weißen Rose wurden in den folgenden Monaten ebenfalls verhaftet, verurteilt und exekutiert.
Heute ist der Name Sophie Scholl in Deutschland ein Synonym für Mut, Überzeugung und die inspirierende Kraft der Jugend. Mit nur 21 Jahren kämpfte Sophie gegen ein mörderisches Regime – nicht mit Gewehren und Granaten, sondern mit Ideen und Idealen.
Sophie Scholls‘ frühe Jugend
Sophie Scholl wurde 1921 in eine christlich geprägte Familie hineingeboren. Sie war 12 Jahre alt, als Hitler und seine nationalsozialistische Partei an die Macht kamen.
Wie die meisten Mädchen in ihrem Alter war sie anfangs Mitglied im Bund Deutscher Mädel (BDM), einer Jugendorganisation der Nazis.
Ihre Eltern standen den Nazis allerdings von Anfang an kritisch gegenüber. Durch ihren Enthusiasmus und ihre Führungsqualitäten stieg Sophie schnell in der Hierarchie des BDM auf.
Bei Sophie setzte ein Umdenken ein
Als Sophie ihr Abitur machte, befand sich Deutschland jedoch im Krieg. Zwei ihrer Brüder und ihr Freund wurden in die Wehrmacht eingezogen. Ihr begeistertes Engagement beim BDM wich der Trauer um die jungen Menschen, die an der Front starben.
Sophie hatte Angst um ihre Familie und Freunde. In ihr erwuchs Verachtung gegenüber dem faschistischen Polizeistaat, der jeden Aspekt ihres Lebens kontrollierte.
Entwicklung zu einer nachdenklichen jungen Frau
Die intelligente und ehrgeizige Sophie wollte an der Universität Biologie und Philosophie studieren. Sie wurde allerdings gezwungen, ein Jahr lang im Nationalen Arbeitsdienst zu dienen. Dort ärgerte sie sich über das militärische Gehabe und die stumpfsinnigen Aufgaben.
Ihre Tagebuchaufzeichnungen und Briefe an ihren Freund gewähren Einblick in das Seelenleben einer jungen Frau, die sich nach Frieden und Freiheit sehnt.
“In diesen Dokumenten können wir Sophies Entwicklung vom Kind zu einer nachdenklichen jungen Frau nachvollziehen”, sagt Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Stiftung Weiße Rose in München. “Je näher wir ihr kommen, desto mehr sind wir beeindruckt von ihrem Denken und ihren starken Überzeugungen.”
In Flugblättern rief die „Weiße Rose“ zum Widerstand auf
1942 schrieb sich Sophie an der Universität München ein, wo ihr älterer Bruder Hans bereits Medizin studierte. Hans und seine Freunde waren als Sanitäter an die Ostfront eingezogen worden. Sie wurden Zeugen von Gräueltaten wie dem Massenmord an polnischen Juden und dem sinnlosen Tod unzähliger Soldaten.
Da sie ihre Wut über Hitlers verbrecherisches Regime nicht unterdrücken konnten, gründeten Hans und ein kleiner Kreis gleichgesinnter Freunde im Juni 1942 die „Weiße Rose“. Sie begannen heimlich Flugblätter zu veröffentlichen. In diesen forderten sie ihre Mitbürger auf, sich gegen den Nationalsozialismus zu stellen.
Die Mitglieder der „Weißen Rose“ kannten die Gefahr und entschieden sich dennoch zu handeln
1943 waren Sophie und die anderen Mitglieder der Weißen Rose der Meinung, dass sich das Blatt des Krieges gegen Deutschland gewendet hatte. Während der Schlacht von Stalingrad Ende 1942 verlor Deutschland 500.000 Soldaten. Die Weiße Rose begann, mutigere Schritte zu unternehmen, um die desillusionierte Öffentlichkeit zum Handeln zu bewegen.
Die Gruppe malte in ganz München Graffitis mit den Aufschriften “Freiheit” und “Nieder mit Hitler”. Anstatt ihre Flugblätter heimlich per Post zu verschicken, beschlossen sie, diese selbst auf dem Universitätsgelände auszulegen.
“Ich würde nicht sagen, dass sie die Gefahr ihres Handelns nicht verstanden haben”, sagt Kronawitter. “Sie kannten die Gefahr und haben sich entschieden, trotzdem zu handeln.”
Das Flugblatt, das Sophie und Hans in das Atrium warfen, war das sechste Flugblatt der „Weißen Rose“. Es endete mit der hoffnungsvollen Ermahnung: “Unser Volk steht im Aufbruch gegen die Verknechtung Europas durch den Nationalsozialismus, im neuen gläubigen Durchbruch von Freiheit und Ehre!“
Verhaftung und Verurteilung
Als Sophie verhaftet wurde, leugnete sie zunächst jede Verbindung zu den Flugblättern oder der Weißen Rose. Doch als ihr Bruder Hans seine Rolle zugab, gestand auch sie ihre Beteiligung an der Flugblattaktion.
“Wir waren davon überzeugt, dass Deutschland den Krieg verloren hatte und dass jedes Leben, das für diese verlorene Sache geopfert wird, umsonst ist”, sagte Sophie ihren Vernehmern. “Das in Stalingrad verlangte Opfer hat uns besonders bewegt, etwas gegen das (unserer Meinung nach) sinnlose Blutvergießen zu unternehmen … Mir war klar, dass wir mit unserem Verhalten dem gegenwärtigen Regime ein Ende setzen wollten.”
Sophie und Hans versuchten ihre Freunde zu schützen
Sophie und Hans versuchten, die anderen Verschwörer der Weißen Rose zu schützen, indem sie behaupteten, dass sie beide allein für das Verfassen der Flugblätter verantwortlich waren. Aber ihre Freunde wurden schließlich in die Ermittlungen hineingezogen und erlitten das gleiche grausame Schicksal, den Tod durch die Guillotine. Die anderen von den Nazis hingerichteten Mitglieder der Weißen Rose waren Alexander Schmorell, Willi Graf, Kurt Huber und Christoph Probst.
Freiheit!
Ein bemerkenswertes Artefakt aus Sophies Prozess und Verurteilung ist die Anklage der Staatsanwaltschaft, die Sophie ausgehändigt wurde. Auf die Rückseite hat Sophie groß das Wort “Freiheit” geschrieben.
“Das finde ich wirklich rührend”, sagt Kronawitter. “Da war sie im Gefängnis und hatte gerade erfahren, dass der Staatsanwalt die Todesstrafe fordert. Und nachdem sie das gelesen hat, war ihre Reaktion ‘Freiheit’.”
Sophie Scholl nahm für ihre ideale den Tod in Kauf
Zu Sophies letzten Worten, bevor sie zur Hinrichtung abgeführt wurde, gehörten: “Es ist so ein herrlicher sonniger Tag, und ich muss gehen. Aber wie viele müssen in diesen Tagen auf dem Schlachtfeld sterben, wie viele junge, vielversprechende Leben. Was bedeutet schon mein Tod, wenn durch unsere Taten Tausende gewarnt und alarmiert werden.”
Ihr seid nicht umsonst gestorben, ihr werdet nie vergessen
Tatsächlich wurde das sechste Flugblatt aus Deutschland herausgeschmuggelt und gelangte nach Großbritannien und in die USA, wo der deutsche Exilschriftsteller Thomas Mann die Mitglieder der Weißen Rose mit den Worten würdigte: “Gute, prächtige junge Leute! Ihr seid nicht umsonst gestorben, ihr werdet nicht vergessen werden. […] Ein neuer Glaube an Freiheit und Ehre bricht an.”
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Quellen und weiterführende Links:
- https://www.weisse-rose-stiftung.de/widerstandsgruppe-weisse-rose/
- https://www.geo.de/geolino/mensch/1651-rtkl-weltveraenderer-sophie-scholl
- https://www.sonntagsblatt.de/sophie-scholl
Beitragsbild: Das Weiße-Rose-Mahnmal in München – Michael F. Schönitzer, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons
Vielseitig interessierter und leidenschaftlicher Autor zu Themen, wie Geschichte, Philosophie, Technik, Wirtschaft, Literatur uvm.